2015 März 09.

Geschichte

Die Anfänge

Der genaue Zeitpunkt der Gründung der Franziskaner Bibliothek in Gyöngyös ist unbekannt, aber vermutlich ist sie identisch mit der des Klosters, dessen Bau Tamás Szécsényi (†1354) oder einem seiner Nachkommen zu danken ist. Obwohl die Franziskaner Bibliothek in Gyöngyös sowohl den Untergang des mittelalterlichen ungarischen Staates 1526 als auch die Kämpfe der Zeit der Reformation überlebte und ihre Bände – abgesehen von einigen Bränden – bis 1950 nicht einmal aus dem Gebäude gerettet werden mussten, stammen ihre ältesten handschriftlichen und gedruckten Bücher aus dem 15. Jahrhundert. Die Liste ihrer Bibliothekare ist seit 1475 bekannt: Bis 1762 war der jeweilige Leiter des Ordenhauses für die Sammlung verantwortlich, von da an ernannte die Ordensprovinz einen eigenen Bibliothekar.

Der älteste Katalog der Bibliothek blieb aus den Jahren 1613–1620 erhalten, in dem 239 Bücher aufgelistet sind, außerdem lagen weitere 32 Bände in den Zellen verschiedener Mönche. Diese Sammlung umfasste kaum mehr als 2-3 Bücherschränke, die in jedem Raum des Klosters stehen konnten.

17. – 18. Jahrhundert

Die Franziskaner Bibliothek in Gyöngyös entwickelte sich während der Türkenherrschaft, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, am dynamischsten. Die Mönche konnten dank der Revolution des Buchdruckes immer billiger Bücher kaufen, sie passten sorgfältig auf die Bände auf, und gaben sie dann an in die Bibliothek weiter. Den Einträgen der Bücher nach wurden im 16.–17. Jahrhundert die neuesten theologischen und wissenschaftlichen Werke bei den Buchhändlern in Paris und Wien beschafft, die Bildung der Mönche folgte so den neuesten Strömungen der Zeit.

Die Bibliothek des Klosters der von der Türkenherrschaft befreiten Stadt erneuerte sich im 18. Jahrhundert unter Prior Ferenc Wrancsics (1738–1741). Das älteste Möbelstück der Bibliothek ist die Arbeit des Bruders Oszler Liborius, der Schreiner war, hier befindet sich die zweitälteste Bibliothekseinrichtung Ungarns. Die abgenutzten Bücher wurden in mehreren Schritten neu gebunden.

Die Zunahme des Bestandes der Bibliothek zeigt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts interessante Veränderungen. Zu dieser Zeit gelangten in immer größerem Maße „weltliche” Bücher und Zeitschriften, heute schon oft vergessene Werke der ungarischen Literatur und Belletristik in die Sammlung.

Das 19. Jahrhundert – Anfang des 20. Jahrhunderts

Im 19. Jahrhundert differenzierte sich der Bestand der Bibliothek weiter: Zeitgenössische und klassische Literatur, Lexika, Wörterbücher kamen in die Sammlung, es wurden sogar die modischen wissenschaftlichen und kirchlichen Periodika der Zeit gekauft. Der zweite bekannte Katalog der Bibliothek (die im Jahre 1764 von Márton Sipos zusammengestellte Buchliste ist verloren gegangen) wurde 1808 von Bernardin Farkas erstellt. Im Juli 1915 wurde die Bibliothek des Klosters unter der Leitung des Magisters Oswald Oslay neu geordnet. Die landesweit bekannte Sammlung wurde in 6 Zimmern untergebracht und nach Themen gruppiert, die Erstlingsdrucke wurden, um sie leichter handhaben zu können, von dem Provinzial in einen separierten Raum platziert. 1930 wurde die Sammlung von Ferdinánd Kaizer wieder neu geordnet, die Beschreibung der wertvolleren Bände ließ er dann in einem gedruckten Katalog erscheinen.

Verstaatlichung

Den Zweiten Weltkrieg hat das Kloster mehr oder weniger glücklich überlebt. Auch die jahrhundertealte Bibliothek überstand den Weltbrand im guten Zustand. Der Leiter des Ordenhauses, Zsigmond Horváth, und der Magister der Kleriker, Aladár Karácsonyi, bereiteten sich schon vor den Deportationen im Jahre 1950 auf die Verstaatlichung vor. Mit den Novizen versteckten sie die wertvollsten Stücke der Bibliothek und des Archivs zusammen mit einigen wichtigen kirchlichen Ausstattungen – sie befürchteten nämlich mit Grund, dass die Wertsachen beschlagnahmt werden würden. In der Nacht zwischen dem 9. und 10. Juni 1950 wurden die Mönche im ganzen Land deportiert, aber bei der Verstaatlichung des Ordenhauses fanden die Behörden nur einen Teil des Bestandes der Franziskaner Bibliothek in Gyöngyös.

Nach der Verschleppung der Mönche blieb das Gebäude ein Jahr lang unbeaufsichtigt. Die zurückgebliebenen  Bücher wurden eingestampft; die Gegenstände des zur Bibliothek gehörenden Museums verschwanden. Den wertvollen Teil des Archivs, die aus der Zeit vor der Schlacht bei Mohács stammenden Schriftstücke, wurden in das Archiv nach Eger gebracht. Die Bibliothek wurde Ende April 1951 in die Räume im Erdgeschoss des ehemaligen Gymnasiums verlegt, das neben der Kirche Sankt Bertalan stand, und zog dann im Jahre 1958 in das Orczy-Schloss um. Die in Besitz der Landesbibliothek Széchényi übergegangenen Bücher wurden dann 1979 dem Kloster zurückgegeben.

Erneuerung nach der Wende

Die Sammlung gelangte am 18. Dezember 1996 zu ihren ursprünglichen Besitzern zurück. Am 28. April 1998 kam um elf Uhr Vormittag in Gyöngyös bei den Abrissarbeiten  des Aufganges der Sakristei und des Turmes der im Jahre 1950 versteckte Bestand zum Vorschein: ca. 3 Kubikmeter  Bücher, 302 Stück alte Drucke bzw. Archivmaterial; Manuskripte in Blättern und gebunden. Der Stolz der alten Bibliothek fand sich ebenfalls, die im Jahre 1462 gedruckte Fust-Bibel, es grenzt an ein Wunder, dass sie die 48 Jahre lange Vermauerung fast ohne Schaden überlebte. Die gefundenen Schätze wurden 1999–2000 im Nationalmuseum ausgestellt, dann kamen sie in das Ordenhaus nach Gyöngyös zurück, wo ein Teil in der Ausstellung auch heute noch zu sehen ist.

 

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